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Spiel des Windes
Vor Tagen ging ich spazieren. Es war ein schöner Herbsttag, die Sonne schien
und eine leichte Brise zog durch die Straßen. Ich wollte raus aus der
Stadt, hin zu einem Park. Und ich war nicht der Einzige. Ich sah viele
Menschen. Eltern, mit ihren Kindern, Besitzer von Hunden und Menschen, die
glücklich, Hand in Hand oder eng umschlungen einen Spaziergang im Park
unternahmen. Auch ich gehörte zu ihnen, ging spazieren und genoss es.
Irgendwann, nachdem ich mir bei einem Cafè ein Kaffee zum mitnehmen bestellt
habe und wieder durch den Park schlenderte, setze ich mich auf eine Bank. Ich
setzte mich und schaute mich um. Es war ein ruhiger Ort, an dem ich war. Hohe
Bäume säumten den Weg zu seinen Seiten, ein See war direkt vor mir zu sehen,
hinter mir ein schön angelegtes Blumenfeld. Es war schön hier zu sein.
Nach einer Zeit sah ich eine Gruppe Kinder vorbei ziehen, die mit ihren Eltern
unterwegs waren. Und ich sah, wie eines von ihnen ein Butterbrotpapier auf den
Boden warf. Ich schaute auf das Papier. Wie es zu Boden fiel, Füße von
nachfolgenden Kindern auf ihm landeten und wie es dann zurückblieb. Ich blieb
noch einen Moment sitzen, lies meine Gedanken treiben und als ich gerade
aufstehen wollte, das Papier in den nahe stehenden Mülleimer bringen wollte, da
wurde es erhoben. Erhoben vom Wind, der nun, ich habe es nicht bemerkt, stärker
blies. Das Papier, es bot mir nun ein Schauspiel der besonderen Art. Es
wurde nicht einfach vom Wind weggetragen. Nein, es tanzte. Es tanzte im Wind,
drehte sich um die eigene Achse, stieg hoch hinauf und fiel wieder hinab. Einen
Moment, als es sich wieder auf den Boden legte, glaubte ich, der Zauber wäre
vorbei. Doch es wurde wieder gepackt, wurde wieder hochgeworfen und wiederholte
sein Spiel. Es war ein schöner Moment, den ich genoss.
Dann, als das Spiel erneut endete, nahm ich das Papier, hielt es kurz in meinen
Händen - dann warf ich es weg.
Doch ganz los, lies es mich nicht. Ich bekam einen anderen Gedanken.
Was wäre, wenn das Papier kein Papier wäre. Was wäre, wenn das Papier nur ein Symbol war
für einen Menschen. Ein Mensch, der weggeworfen, im Stich gelassen wird. Ein
Mensch, der mit Füßen getreten wird und keinen Weg mehr sieht. Wäre es nicht
eine Besonderheit, diesem Menschen etwas Besonderes zu schenken? Ein Stück
Aufmerksamkeit, ein wenig Zeit? Und wäre es nicht schön, wenn dieser Mensch
sehen könnte, dass er, genau wie das Papier, immer noch eine besondere, eine
wichtige Bedeutung haben kann? Das er Menschen eine Freude machen kann, ihnen
ein Lächeln abringen kann oder er vielleicht einfach nur da ist, wo ein anderer Mensch
ihn gerade braucht? Ich dachte an das Papier, daran, wie sich meine Gedanken gewandelt haben und
daran, dass ich wünschte, dass ein Mensch, der sich in diesem Moment allein
fühlt, vielleicht einen ähnlichen Moment erlebt wie dieses Stück Papier. Das er
sieht: Ich bin etwas besonderes. Egal, was ich erreicht habe, egal was in der
Vergangenheit war, egal ob ich alt, jung oder vielleicht auch körperlich
eingeschränkt bin und egal wie ich aussehe - ich bin etwas Besonderes - und ich kann
es auch für andere sein.
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